Netzentgelte und mögliche Reduzierungen

18.04.19 09:59 von Jörg Lieske

NetzentgeletIn einem früheren Blogartikel bin ich bereits auf die Strompreiszusammensetzung eingegangen. Neben den Netzentgelten setzt sich der Strompreis auch aus den Kosten für Erzeugung, Vertrieb, Abgaben, Umlagen und Steuern zusammen. In diesem Beitrag informiere ich Sie nun über alles, was Sie als Gewerbe und Industrieunternehmen über Netzentgelte und Möglichkeiten zur Reduzierung wissen sollten.

Was sind Netznutzungsentgelte?

Die in den Kraftwerken produzierte Energie wird Verbrauchern leitungsgebunden zur Verfügung gestellt. Für die Durchleitung der Energie zum Endkunden erheben die in Deutschland rund 900 Netzbetreiber Gebühren (Netznutzungsentgelte).

Damit die Netzbetreiber die Höhe der Netzentgelte nicht willkürlich festlegen, müssen sie ihre Netzentgelte gemäß Energiewirtschaftsgesetz der Bundesnetzagentur zur Genehmigung vorlegen. Unabhängig von der Bundesnetzagentur genehmigen neun Landesregulierungsbehörden die Netzentgelte für kleine und lokale Netze. Die Ermittlung bzw. Festlegung der Netznutzungsentgelte durch den Netzbetreiber ist in der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) und der Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV) geregelt.

Unabhängig vom regionalen Netzbetreiber können Kunden ihren Energieversorger frei wählen. Gemäß dem sogenannten Unbundling-Gesetz müssen Netz, Erzeugung und ggf. Vertrieb bei Energieversorgungsunternehmen abrechnungstechnisch und gesellschaftsrechtlich getrennt sein. Damit soll verhindert werden, dass Energieversorger, die gleichzeitig Netzbetreiber sind, ihre Energie günstiger oder sogar kostenfrei durchleiten. Auf diese Weise sollen für alle Marktteilnehmer die selben Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Folglich zahlen Kunden unabhängig vom gewählten Strom- oder Gaslieferanten Netzentgelte im jeweiligen genutzten Netzgebiet.

Die Netznutzungsentgelte werden in der Regel über die normale Strom- und Gasrechnung an den gewählten Energieversorger gezahlt, welcher dann die Weiterleitung an den entsprechenden Netzbetreiber übernimmt.

Alle Netzbetreiber in Deutschland sind gesetzlich verpflichtet, ihre gültigen Netznutzungsentgelte im Internet zu veröffentlichen.

Tipp: Sie kennen Ihren regionalen Netzbetreiber nicht? Dieser wird auf der letzten Rechnung Ihres Energieversorgers ausgewiesen.

Netzentgelthöhe und regionale Unterschiede

Die Stromnetzentgelte machen aktuell ca. ein Viertel der Gesamtstromkosten auf Ihrer Rechnung als Endverbraucher aus. Allgemein verbindlich lässt sich dies jedoch nicht sagen, da die Höhe der Netznutzungsentgelte regional sehr unterschiedlich ist. So zahlen Kunden in Baden-Württemberg im Durchschnitt deutlich weniger für die Netznutzung als Kunden in Mecklenburg-Vorpommern. Woran das liegt und wie hoch die Netzentgelte für Sie als Unternehmen tatsächlich sind, hängt vor allem von diesen drei Faktoren ab:

Ort

Großstädte bzw. Ballungszentren zahlen im Vergleich zu ländlichen Regionen deutlich niedrigere Netzentgelte. Das liegt daran, dass auf einen gewissen Leitungsabschnitt eine höhere Anzahl an Verbrauchern kommt, auf die die Fixkosten des Netzbetriebs verteilt werden.

Netzart

In Ballungsgebieten und Städten liegen viele Erdkabel. Diese erfordern zwar höhere Investitionskosten, sind in der Folge aber relativ wartungsarm. Im Vergleich hierzu werden in ländlichen und dünn besiedelten Gebieten eher Freileitungen über große Distanzen installiert. Die dadurch verursachten höheren Folgekosten werden dann auch auf weniger Verbraucher als in Ballungsgebieten umgelegt. 

Ost-West Gefälle

Die Netzbetreiber in den alten Bundesländern haben einen Kostenvorteil gegenüber den Netzbetreibern in den neuen Bundesländern. Die Netze im Westen sind teilweise über 50 Jahre alt und längst abgeschrieben. Im Osten hingegen erfolgte nach der Wende ein massiver Netzausbau bzw. eine Netzmodernisierung, dessen Kosten nach wie vor auf die regionalen Verbraucher umgelegt werden.

Weitere Informationen zu den Netzentgelten und welche Einsparmöglichkeiten es gibt, erfahren Sie in der kostenlosen Webinar Aufzeichnung mit dem Energieexperten A. Skrobuszynski.

Webinar Aufzeichnung Netzentgelte und Einsparungen

Bestimmung Ihrer Stromnetznutzungsentgelte anhand der Rechnung

Neben den regionalen Unterschieden ist für die Höhe Ihrer Netzentgelte auch entscheidend, in welcher Spannungsebene Sie versorgt werden und ob der Lastverlauf an Ihrer Verbrauchsstelle gemessen (RLM) oder synthetisch (SLP) ermittelt wird.

1. Lieferspannung

Die Lieferspannung wird beim Endverbraucher an die Steckdose geliefert. Es wird grundsätzlich zwischen vier Spannungsebenen unterschieden:

  • Niederspannung (NS)
  • Mittelspannung (MS)
  • Hochspannung (HS)
  • Höchstspannung (HöS)

Über das Niederspannungsnetz werden die meisten Haushalts- und kleine Gewerbekunden beliefert. Mittelgroße Industrieunternehmen haben in der Regel einen eigenen Trafo und beziehen ihren Strom aus der Mittelspannungsebene.

Ein Sonderfall ist die sogenannte Umspannung. Dabei erfolgt beispielsweise die Lieferung in der Mittelspannung und die Messung in der Niederspannung. Das bedeutet, dass der Trafo nicht dem Kunden gehört und der Netzbetreiber ihm die Transformationsverluste in Rechnung stellt.

2. Verbrauchsstellen

  • Verbrauchsstellen ohne Leistungsmessung (Standardlastprofil, SLP)
    Bis zu einem Stromverbrauch von 100.000 kWh/a erfolgt die Belieferung in der Regel über ein sogenanntes Standardlastprofil. Dabei wird von einem pauschalen Verbrauchsverhalten für eine bestimmte Kundengruppe ausgegangen. Endverbraucher finden dann auf ihrer Stromrechnung einen Arbeitspreis in ct/kWh und einen Grundpreis in €/a für die Netznutzung.
  • Verbrauchsstellen mit 1/4 h-Leistungsmessung (registrierende Leistungsmessung, RLM)
    Diese Leistungsmessung ist relevant für Kunden mit einem Stromverbrauch von über 100.000 kWh/a an einer Abnahmestelle. Die Bepreisung erfolgt hier auf Basis der tatsächlichen, gemessenen Leistungsabnahme. Das Netznutzungsentgelt hat dann die folgenden Bestandteile: Leistungspreis in €/kW (Jahreshöchstleistung), Arbeitspreis in ct/kWh, Grundpreis in €/a und ggf. auch ein Entgelt für Blindarbeit in ct/kVArh.

Tipp: Ein großer Kostentreiber ist die Jahreshöchstleistung (Leistungsspitze). Je höher die Leistungsspitze, desto höher die Leistungskosten. Daher sollte die Leistungsspitze von der Verbraucherseite im Auge behalten und nach Möglichkeit reduziert werden. Erfahren Sie mehr über das betriebliche Lastmanagement zur Senkung von Leistungsspitzen.

Reduzierung der Stromnetzentgelte

Für eine Netzentgeltreduzierung ist vor allem die Charakteristik der Netznutzung entscheidend. So weisen manche Unternehmen ein atypisches und manche ein intensives Netznutzungsverhalten auf. Hierdurch entsteht eine Abweichung der kundenindividuellen Höchstlast von der Höchstlast im Netz und es tritt ein entlastender Effekt ein. Generell ist eine Reduzierung der Netzentgelte sogar bis zu 80 Prozent möglich. 

Ob Sie die Voraussetzung für ein reduziertes Netznutzungsentgelt gemäß §19 Abs. 2, Satz 1 (atypische Netznutzung) oder §19 Abs. 2. Satz 2 (Intensive Netznutzung) erfüllen, erfahren Sie in unserem kostenlosen Whitepaper.  

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Themen: Steuern und Abgaben, Netzentgelte

Jörg Lieske

Autor: Jörg Lieske

Jörg Lieske ist seit 1999 in verschiedenen Positionen bei der BFE Institut für Energie und Umwelt GmbH (ein Unternehmen der MVV Energie Gruppe) tätig. Er befasst sich seit vielen Jahren neben der Effizienzsteigerung technischer Anlagen, mit Möglichkeiten zur Reduzierung von Energiekosten durch kaufmännisch/organisatorische Maßnahmen und verantwortet den Bereich Fördermittelmanagement.

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