So geht Digitalisierung - ein Praxisbeispiel

Digitalisierung ist das Schlagwort der Stunde. Denn mit ihr können komplexe Vorgänge innerhalb eines Unternehmens und die Vernetzung mit externen Partnern transparenter, flexibler und effizienter gestaltet werden. Dass die zugrunde liegenden computergesteuerten Prozesse gerade für die altehrwürdige Stahlhandelsindustrie enormes Verbesserungspotenzial mit sich bringt, beweist unser Praxisbeispiel Klöckner.i. Das junge Berliner Start-up-Unternehmen ist gerade dabei, den analogen Riesen Klöckner & Co aus Duisburg in ein digitales Online-Portal umzuwandeln. Eine Revolution!

Warum ist Digitalisierung in der Industrie so wichtig?

Digitalisierung bietet entlang der gesamten Prozesskette, von der Verkaufs- und Verwaltungsplanung über die Planung und Terminierung der Produktion bis hin zur Integration von Logistik und Personalplanung, enorme Möglichkeiten, Zeit, Geld und Ressourcen zu sparen.
 
 
Stahlhandel vor 50 Jahren
In der Stahlindustrie laufen die meisten Prozesse noch ab wie vor 50 Jahren.

Abschied von der guten alten Zeit

In der Stahlhandelsbranche läuft derzeit das Meiste noch analog ab. Die Kunden bestellen in der Mehrheit per Telefon und Fax wie noch vor 50 Jahren. Dadurch ist der Informationsfluss entlang der Liefer- und Leistungskette hochgradig ineffizient. Ein digitales Bestell- und Prozessmanagement existiert nur in Ansätzen. Und wenn überhaupt digitale Daten vorliegen, werden diese nur selten ausgewertet. Die Folgen? Der konkrete Bedarf der Stahlverbraucher wird nicht ermittelt und kann dadurch in der Produktion nicht berücksichtigt werden. Die Stahl- und Metallprodukte werden häufig umgelagert und zwischen Herstellung und Lieferung an den Kunden vergeht zu viel Zeit. Hierdurch entstehen erhebliche Logistikkosten und enorme Lagerbestände, was zu einer hohen Kapitalbindung führt.
 
Durchgängige digitale Informationsflüsse zwischen Produzenten, Kunden und Dritten werden endlich auch im traditionellen Stahlhandel Wirklichkeit. Dank Digitalisierung.
 
 
Logistik
Die Digitalisierung ermöglicht durchgängige Informationsflüsse zwischen Produzenten und Kunden – das senkt Logistikkosten.

Wie kann Digitalisierung in der Praxis umgesetzt werden?

Digitalisierungsprozesse sind komplexe Aufgaben, die viel Kooperation, Kommunikation und Kompetenz erfordern. Sie funktionieren nur, wenn die Chefetage voll dahintersteht und vorlebt, was sie von ihren Mitarbeitern erwartet.
 
Für die Umsetzung ist es sinnvoll, eigens benannte Digitalisierungsbeauftragte als Ansprechpartner für alle Beteiligten zu etablieren. Sie sorgen dafür, dass Strukturen erfasst, Abläufe definiert, Optimierungspotenzial ermittelt und Neues ausprobiert wird.
 

Offene Kommunikation durch flache Hierarchien

Starre Hierarchien stören dabei nur. Eine möglichst offene, direkte und vor allem einfache Kommunikation über alle Abteilungen hinweg ist wesentlich für den Erfolg eines Digitalisierungsprozesses. Interne Kommunikationstools erleichtern die Zusammenarbeit und helfen dabei, mit Ideen und Fragen immer den passenden Ansprechpartner zu finden.
 
 
Kommunikation
Um die Mitarbeiter erfolgreich ins digitale Zeitalter zu führen, ist Kommunikation der Schlüssel.
 

Mut zur Veränderung durch positive Fehlerkultur

Wenn Abläufe optimiert werden und Neues ausprobiert wird, sind Fehlversuche der Einstieg in einen kontinuierlichen Anpassungsprozess. Zu wissen, dass diese dazugehören, und konstruktiv damit umzugehen, ist eine Grundeinstellung, die für jeden Veränderungsprozess unerlässlich ist.

Wie macht Klöckner das?

Wenn sich ein Unternehmen wie Klöckner & Co mit 40.000 Produkten und 9.200 Mitarbeitern in 140 Ländern an 200 Standorten vornimmt digital zu werden, erfordert dies ein komplett neues Herangehen. Um die Trägheit des Konzerns und die festgefahrenen Strukturen zu umgehen, gründete Klöckner im Jahre 2014 kurzerhand das Start-up Klöckner.i, das sich um die Digitalisierung des Stahlhandelsriesen kümmern sollte. Hier konnte man mit Fokus auf den Kunden in typischer Start-up-Manier zunächst ganz einfache Lösungen, sogenannte Minimum Viable Products (MVPs), entwickeln und Schritt für Schritt gemeinsam mit dem Kunden weiter optimieren.
 
 
Interdisziplinäre Teams
Ein interdisziplinäres Team entwickelt die Digitalisierungsstrategie für Klöckner.

Klöckner.i digitalisiert die Stahlindustrie

Klöckner.i wurde vor drei Jahren als Digitalisierungstochter des Stahlhandelsunternehmens Klöckner & Co in Berlin gegründet. Mit über 50 Mitarbeitern entwickelt das Start-up Lösungen für die Digitalisierung des Stahlhandels. Hierzu zählen Online-Shops, Kontraktportale und Bestellübersichten. Außerdem entwickelt Klöckner.i komplexe Stahlhandelsportale inklusive Schnittstellen zu firmeninternen Warenwirtschaftssystemen sowie eigenständige ERP-Lösungen.

Kommunikation und Weiterbildung sind der Schlüssel

Um die Mitarbeiter erfolgreich ins digitale Zeitalter zu führen, ist Kommunikation der Schlüssel. So wurde beispielsweise den Mitarbeitern von Klöckner & Co Sinn und Nutzen des Digitalisierungsvorhabens im Rahmen sogenannter Digi Days vermittelt. Ein beachtlicher Wandel der Fehlerkultur zeigt sich auch bei sogenannten „Fuck-up-Nights“, bei denen Fehlschläge und deren Lösungen offen kommuniziert und diskutiert werden. Mit Yammer, einem internen sozialen Netzwerk, können Mitarbeiter miteinander diskutieren und Fragen ganz ohne hierarchische Schranken auch direkt an den CEO richten.
 
 
Digi Days
Mit Hilfe der Digi Days werden die Mitarbeiter ins digitale Zeitalter eingeführt.

Neue Wege durch Design Thinking

Dieser Ansatz entstammt der Design-Thinking-Methode. Design Thinking setzt auf interdisziplinäre Teams, Visualisierung und klar umrissene Schritte zur Ideengenerierung und Lösungsfindung. Basis eines jeden Design-Thinking-Prozesses bildet ein Team, das sich aus Mitgliedern verschiedener Disziplinen, Abteilungen und Hierarchieebenen zusammensetzt und neben internen auch externe Mitglieder umfassen kann.
 

Keine Angst vor Konkurrenz

Auf diese Art entwickelte Klöckner.i eine digitale Handelsplattform, über die auch Konkurrenten die Möglichkeit haben, ihre Produkte zu vertreiben. Diverse digitale Tools wie Online-Shops, Kontraktportale oder Bestellübersichten wurden inzwischen ebenfalls erfolgreich etabliert. Mittlerweile arbeiten über 60 Mitarbeiter aus 14 Nationen im Berliner Tochterunternehmen von Klöckner & Co und revolutionieren so die Stahlhandelsbranche.

Offenheit für Neues fördern

Eine Digital Academy bietet den Klöckner-Mitarbeitern die uneingeschränkte Möglichkeit, sich während der Arbeitszeit digital fortzubilden. So konnten erfolgreich Bedenken zerstreut werden, dass Stahlhandel digital nicht funktioniere. Mittlerweile haben über 1.000 Mitarbeiter das Weiterbildungsangebot genutzt und die Chancen erkannt, die der digitale Wandel für die eigene Arbeit beinhaltet.
 

Umsatzplus und steigende Verkäufe durch Paradigmenwechsel

Seit sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die Digitalisierung mehr nutzt als schadet, interessiert sich ein immer breiterer Kundenkreis für die digitalen Tools, die Klöckner.i für den Stahlhandel entwickelt. So soll in Kürze eine offene Industrieplattform in Europa live gehen. Zunächst als MVP, also als ganz einfache Basisversion, die dann am lebenden Objekt gemeinsam mit den Kunden weiterentwickelt wird. Für den Stahlhandel bedeutet Digitalisierung die Frischzellenkur, die sein Überleben sichert.