Gebäudeautomation: Mit Big Data zum energiesparenden Gebäude (Teil 1)

26.06.18 12:33 von Esther Gensrich

GebäudeautomationIn welcher Gewerbeimmobilie kann die Heizung- oder Klimaanlage voraussehen, dass in zwei Stunden die Sonne scheinen wird? Und damit vorausschauend die Heizleistung absenken und spürbar Energie sparen? Genau das ermöglicht die Gebäudeautomation energyControl. Auf einer umfassenden Datenbasis sagt diese Lösung den Energiebedarf präzise voraus. Lesen Sie mehr über Big Data, künstliche Intelligenz, fortlaufende Effizienzsteigerung – und Einsparungen von 20-30 Prozent: In Teil 1 unseres Interviews mit Oliver Habisch und Carsten Kreutze, Geschäftsführer des MVV-Partnerunternehmens Recogizer.

Wo setzt energyControl an?

Carsten Kreutze: Rund 35 Prozent des End-Energieverbrauchs in Deutschland entfallen auf Gebäuden. In Bürogebäuden und anderen kommerziell genutzten Immobilien fallen für Heizung und Lüftung regelmäßig mehr als 50 oder sogar bis zu 60 Prozent dieses Gesamtenergieverbrauchs an.

Diesen Teil der Energiekosten gehen wir an, indem wir vorausschauend regeln. Denn viele Gebäude haben bereits eine Gebäudeleittechnik. Hier laufen die Informationen zusammen, um Heizung, Lüftung und Klimatisierung optimal steuern zu können. Das geschieht Messwert-basiert – doch es wird nur in seltenen Fällen nachjustiert, oft weil einfach das Personal fehlt. Dadurch wird dann mehr Energie verbraucht als notwendig wäre.

Somit werden die vorhandenen Anlagen in den Bestandsgebäuden nicht richtig eingestellt?

Oliver Habisch: Faktisch ist es so: Wenn eine Anlage in Betrieb genommen wird, wird sie einreguliert. Doch mit dem nächsten Jahreszeitwechsel müsste sie nachjustiert werden. Das passiert viel zu selten. Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Der Energiebedarf im Gebäude verändert sich auch über den Lebenszyklus hinweg. Das sind zwei wichtige Ansatzpunkte für uns.

Wie kommen Sie denn mit Gebäudebetreibern ins Gespräch?

Carsten Kreutze: Viele möchten ganz einfach Energie sparen. Dazu können sie drei Wege gehen: Das Gebäude sanieren – neues Dach, neue Fenster. Das ist natürlich teuer, die Amortisationszeiten liegen in der Regel bei 10-15 Jahren. Der zweite Weg ist, sich die technischen Anlagen anzuschauen und zu erneuern. Das ist eine mittelinvestive Maßnahme, die Amortisationszeiten sind typischerweise 7-10 Jahre.

Der dritte Weg – das ist unserer – ist ein softwarebasierter Ansatz, ein datengetriebenes Modell. Bei energyControl geht es darum, auf Software-Basis den Energieverbrauch deutlich zu reduzieren. Das geschieht in einem gering-investiven Umfeld, die Hürde für den Kunden ist also sehr gering. Die Investition amortisiert sich in der Regel nach nicht einmal einem Jahr. Sie können also sehr schnell die Energiekosten reduzieren.

Volle Amortisation in nicht einmal zwölf Monaten? Das müssen Sie näher erklären …

Oliver Habisch: energyControl ist als Nachrüstprodukt konzipiert und lässt sich einfach in praktisch jede Liegenschaft integrieren. Wir bringen dazu eine Controll-Box in das Gebäude ein, also einen kleinen Industrie-PC. Das geht im laufenden Geschäftsbetrieb, das heißt ohne Unterbrechung der Gebäudenutzung.

Die Kosten für diese Initialphase hängen natürlich von der Größe des Gebäudes und der Komplexität der vorhandenen Technik ab. Sie sind aber sehr überschaubar und erreichen oft nicht einmal den fünfstelligen Bereich – vergleichen Sie das einmal mit anderen baulichen Maßnahmen oder dem Austausch von Anlagen. Da energyControl den Energieverbrauch im Schnitt um 20-30 Prozent verringert, rechnet sich die Investition unserer Kunden in die Gebäudeautomation in der Regel nach weniger als 12 Monaten.

20-30 Prozent Einsparungen ohne bauliche Maßnahmen – auf welcher Grundlage?

Oliver Habisch: Derzeit ist es so, dass die Anlagen grundsätzlich mit Mess-, Steuer- und Regeltechnik ausgestattet sind. Diese Daten sind vorhanden, werden oft auch gespeichert – doch sie werden nicht strukturiert über die Zeit ausgewertet. Bei der Gebäudeleittechnik ergeben sich dadurch jeweils Momentaufnahmen, aber kein Trend über die Zeit. Dadurch lassen sich Einsparpotenziale nur schwer ermitteln. Genau da setzen wir an-. Unser Ansatz bei der Gebäudeautomation ist datenbasiert.

Carsten Kreutze: Genutzt werden die gesammelten Daten heute eher, um Verbrauchsanalysen vorzunehmen. Das ist sehr positiv und eine Grundlage für Transparenz und Energieeinsparungen. Aber die Potenziale, die in den Daten stecken, werden nicht wirklich gehoben.

Und Sie heben diese Potenziale mit energyControl?

Carsten Kreutze: Genau. Tiefere Einblicke in das Anlagenverhalten erhält man erst, wenn ein Managementsystem aufgeschaltet ist – also wenn die Gebäudeleittechnik über ein Portal angesteuert wird und dann automatisiert Optimierungen vorgenommen werden. Das ist eine gute Grundlage für einen verbesserten Anlagenbetrieb.

Oliver Habisch: Bislang werden Daten häufig verworfen, Trends nicht verfolgt – außer bei abrechnungsrelevanten Daten, etwa bei Zählern. Wir überführen die Daten in die Cloud, um sie hochverfügbar zu halten und Ansatzpunkte für Einsparungen zu ermitteln. Wir nutzen die Gebäudebetriebs- und Anlageverbrauchsdaten also, um mit intelligenten Modellen das Anlagen- und Gebäudeverhalten zu „erlernen“. Das wird automatisiert umgesetzt, um eine vorausschauende Regelstrategie zu entwickeln.

Daten sind also die Grundlage für die Energieeinsparungen?

Carsten Kreutze: So ist es. Und dabei gilt: Je mehr, desto besser. Die Datengrundlage für eine sinnvolle Aussteuerung ist sehr umfangreich.

Wir beziehen zum einen die gesamten relevanten Betriebsdaten ein: also zum Beispiel die Vorlauftemperaturen oder die Ventilatordrehzahlen. Wir können dazu in der Regel auf einen vorhandenen Datenpool zugreifen und diesen nutzbar machen. Ideal ist es, wenn die Daten über ein Jahr hinweg zur Verfügung stehen: also auch über eine Sommer- und Wintersaison hinweg. Dann kann die Anlage sehr gezielt vorausschauend ausgesteuert werden.

Übrigens: Alle Daten, die wir verwenden, beziehen sich ausschließlich auf die Immobilie. Wir nutzen keine personenbezogenen Daten, nur Verbrauchs- und Gebäudedaten. Falls diese Daten übertragen werden, erfolgt dies auf der Basis aktuellster Sicherheitsbestimmungen und Verschlüsselungstechnologien. Die Speicherung erfolgt ausschließlich in einem zertifizierten Rechenzentrum in Deutschland.

Dies gilt auch für darüber hinausgehende Informationen, die wir verwenden: Dazu gehören Wetterprognosen, die als externer Datenstrom in unser Modell einfließen, oder auch Prognosen zur Gebäudebelegung. Im Einzelhandel sind das zum Beispiel Kundenfrequenzdaten, bei Hotels Belegungsdaten oder eben Nutzungsdaten bei Bürogebäuden.

Ist das tatsächlich so wichtig?

Carsten Kreutze: Diese externen Faktoren haben einen erheblichen Einfluss auf den Energiebedarf. Ein Beispiel: Wenn ein Raum von sehr vielen Menschen genutzt wird, muss man relativ schnell für Kühlung und Lüftung sorgen. Dasselbe gilt auch auf der Ebene des gesamten Gebäudes.

Das ist ein bisschen wie beim Autofahren: Da schauen Sie auch nach vorne, um neue Verkehrssituationen rechtzeitig zu erkennen.

Lesen Sie mehr darüber, wie energyControl Gebäude intelligent macht, wie es Trends in der Gebäudeautomation nutzt – und was Gebäudebetreiber von Autofahrern lernen können: In Teil 2 des Interviews mit Oliver Habisch und Carsten Kreutze. 

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Esther Gensrich

Autor: Esther Gensrich

Esther Gensrich ist seit 2003 für die MVV Energie Gruppe tätig. Dort verantwortet sie aktuell im Business Development das strategische Marketing für Geschäftskunden. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung von zukunftsorientierten und digitalen Marketingkonzepten.

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