Was ist “echter” Grünstrom?
Grünstrom wird aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind, Sonne oder Wasser gewonnen. Die Begriffe Ökostrom und Grünstrom sind rechtlich nicht definiert und werden synonym verwendet. Sie beschreiben umgangssprachlich die elektrische Energie aus Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen).
Doch sobald dieser grüne Strom ins Netz eingespeist wird, vermischt er sich mit konventionellem Strom. Wegen der fehlenden übergreifenden Regelung, was unter Grünstrom zu verstehen ist, und den vielen verschiedenen Möglichkeiten der Grünstromversorgung, ist es schwierig, als Verbraucher den Überblick zu behalten.
Einführung in den Ökostrommarkt
Der Ökostrommarkt existiert seit rund 20 Jahren und regelt den Handel mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Er ermöglicht Verbrauchern, gezielt umweltfreundlichen Strom zu beziehen, und senkt CO2-Emissionen.
In Deutschland hat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den Strommarkt transformiert. Garantierte Einspeisevergütungen machten Investitionen attraktiv und steigerten den Anteil erneuerbarer Energien. Seit 2023 finanziert der Bundeshaushalt die EEG-Umlage, was Verbraucher entlastet. Zudem förderte das EEG Innovationen, senkte Kosten und stärkte die Wettbewerbsfähigkeit.
Die geplante EEG-Reform 2025 soll den Ausbau beschleunigen und neue Technologien wie Smart Meter und Batteriespeicher integrieren.
Herkunftsnachweise: Funktionsweise
Ein Herkunftsnachweis dokumentiert jede erzeugte Megawattstunde Ökostrom und ordnet sie einem Verbraucher zu – ähnlich einem Beipackzettel mit Angaben zu Erzeugungszeit und -ort.
In Deutschland überwacht das Umweltbundesamt dieses System und betreibt das Herkunftsnachweisregister. Energieversorger müssen für jede gelieferte Megawattstunde Ökostrom einen Herkunftsnachweis erwerben und entwerten. Strom aus EEG-geförderten Anlagen gilt nicht als Ökostrom. Das Doppelvermarktungsverbot verhindert, dass derselbe Strom zweimal verkauft wird: einmal an Verbraucher und einmal über das EEG.
Ökostrom: Welche Modelle gelten als Grünstrom?
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Definition und Erklärung von Power Purchase Agreements (PPA):
Ein Power Purchase Agreement (PPA) ist ein Stromliefervertrag zwischen einem Stromproduzenten – oft ein Betreiber von Wind- oder PV-Anlagen – und einem Abnehmer wie einem Unternehmen oder Händler.
PPA sind individuelle, bilaterale Verträge, die Liefermodell, Strompreise, bilanzielle Abwicklung und weitere Details regeln. Begriffe wie Corporate PPA, Sleeved PPA oder Utility PPA kennzeichnen nur die Art der Vertragspartner, nicht die Vertragsstruktur. Entscheidend sind die spezifischen Vereinbarungen, die Flexibilität ermöglichen und auf die Bedürfnisse der Beteiligten zugeschnitten sind.
Wichtige Parameter eines PPA:
- Laufzeit: Die Vertragsdauer kann kurz-, mittel- oder langfristig sein und wird an die Geschäftsstrategie der Partner angepasst.
- Liefermodell: Zur Auswahl stehen „Pay as produced“ (Lieferung nach erzeugter Menge), „Pay as forecasted“ (nach Prognose), „Pay as consumed“ (nach Verbrauch) und „Baseload/fixe Struktur“ (konstante Lieferung). Jedes Modell bietet unterschiedliche Vorteile je nach Energiebedarf und Risikoprofil.
- Vertragsgestaltung: PPA-Mengen können in bestehende Stromlieferverträge integriert oder separat abgeschlossen werden, was Flexibilität in der Energieportfolio-Strategie ermöglicht.
- Bilanzielle Abwicklung: PPA können physisch (mit tatsächlicher Stromlieferung) oder finanziell (zur Absicherung gegen Preisschwankungen) ausgestaltet sein.
- Räumlicher Zusammenhang: Off-Site-PPA beziehen Strom von entfernten Standorten über das Netz. On-Site-PPA bündeln dagegen Erzeugung und Verbrauch am selben Ort. Dies beeinflusst Infrastruktur- und Netzkosten.
- Preisbildung: Die Preisgestaltung kann als Fixpreis, Floating (variabel), Tranchenbepreisung oder Spotpreis erfolgen. Diese Varianten bieten Spielraum zur Kostenoptimierung und Risikosteuerung.
Im PPA-Kontext bezeichnet „Post-EEG“ Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien, die ihre EEG-Förderung nach meist 20 Jahren verlieren und ihren Strom selbst vermarkten müssen.
Dies betrifft Solaranlagen, Windkraftwerke (onshore und offshore), Biomasseanlagen, Wasserkraftwerke und andere EEG-geförderte Quellen. Der Begriff gilt für alle Anlagen, die das Ende der staatlichen Einspeisevergütung erreicht haben.
Die Definition der verschiedenen Arten von PPA ist durch die Vielzahl möglicher und praktizierter Vertragsausgestaltungen oft komplex. Zudem ist eine klare Kategorisierung verschiedener PPA-Eigenschaften meist schwierig. Ein Überblick:
Physische PPA
On-site PPA
Ein On-Site PPA ist ein langfristiger Vertrag zwischen einem Energieerzeuger und einem Verbraucher, bei dem die Erzeugungsanlage direkt auf dem Gelände oder in der Nähe des Verbrauchers errichtet wird. Der produzierte Strom wird vor Ort genutzt. Das minimiert oder vermeidet Transport- und Netzkosten.
Beispiel: Ein Unternehmen will Energiekosten senken und nachhaltiger wirtschaften. Auf dem Dach der Produktionshalle ist Platz für Solaranlagen. Statt selbst zu investieren, schließt das Unternehmen einen On-Site PPA mit einem Projektentwickler ab, der die Anlage installiert und betreibt. Der erzeugte Strom wird direkt genutzt, ohne das öffentliche Netz zu belasten – Investitionen entfallen, und die Stromkosten sinken.
Off-site PPA
Ein Off-Site PPA unterscheidet sich vom On-Site PPA dadurch, dass der Strom nicht direkt vor Ort verbraucht, sondern bilanziell über das öffentliche Netz geliefert wird. Dies ermöglicht eine flexible Standortwahl der Erzeugungsanlage, erfordert aber die Zahlung von Netzentgelten. Oft wird der Strompreis als Fixpreis vereinbart, was Planungssicherheit bietet.
Beispiel: Ein Unternehmen in Süddeutschland bezieht Grünstrom von einem Windpark in Norddeutschland. Der Strom fließt über das öffentliche Netz zum Abnehmer, während der PPA-Vertrag die Konditionen regelt.
Virtuelle PPA
Ein virtuelles PPA (vPPA) trennt physische und finanzielle Flüsse. Der Erzeuger verkauft den Strom am Spotmarkt, während der Abnehmer einen festen Preis pro Kilowattstunde zahlt.
Liegt der Spotmarktpreis unter dem vereinbarten Fixpreis, gleicht der Abnehmer die Differenz aus. Liegt er darüber, zahlt der Erzeuger die Differenz an den Abnehmer.
Dieses Modell ähnelt einem Contract for Difference und dient als Finanzinstrument zur Absicherung gegen Preisschwankungen. Zusätzlich erwirbt der Abnehmer Herkunftsnachweise der PPA-Anlage.
vPPA sind in der Abwicklung einfacher als physische PPA, haben jedoch einen geringeren Nachhaltigkeitswert, da sie die physische Stromlieferung ausklammern.
Lieferstruktur in Power Purchase Agreements (PPA)
Die Lieferstruktur in Power Purchase Agreements (PPA) legt fest, wann und in welcher Menge Strom zwischen Erzeuger und Abnehmer gehandelt wird. Sie beeinflusst die Risikoverteilung und die Preisgestaltung. Gängige Modelle in Green PPA sind:

Pay-as-Produced
Die Pay-as-Produced-Lieferstruktur, bedeutet, dass der Käufer den gesamten erzeugten Strom unabhängig vom eigenen Bedarf abnimmt. Dies reduziert das Volumenrisiko für den Produzenten, da keine Abweichungen zwischen Erzeugung und Abnahme entstehen.
Der Käufer verpflichtet sich, den Strom exakt in dem Moment der Produktion zu übernehmen. Dadurch entsteht eine hohe Nachhaltigkeitsstufe mit echter Zeitgleichheit zwischen Erzeugung und Verbrauch. Dieses Modell wird beispielsweise von MVV angewendet.
Pre-defined Profile
Bei der Pre-defined Profile-Lieferstruktur erfolgt die Stromlieferung nach einem vorher festgelegten Abnahmeprofil. Der Produzent garantiert bestimmte Mengen zu definierten Zeiten und trägt das Risiko für Abweichungen.
Weicht die tatsächliche Erzeugung vom vereinbarten Profil ab, muss der Produzent die Differenz ausgleichen – etwa durch Zukäufe am Markt oder Regelenergie. Dieses Modell bietet dem Abnehmer Planungssicherheit, während der Erzeuger ein höheres Erzeugungsrisiko trägt.
Baseload-Profil
Das Baseload-Profil steht für die kontinuierliche Lieferung einer festen Strommenge – üblicherweise 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Es eignet sich besonders für Produzenten mit konstanter und planbarer Erzeugung.
Weicht die tatsächliche Produktion vom vereinbarten Profil ab, muss der Produzent die Differenz selbst ausgleichen oder den Strom am Markt beschaffen. Dieses Modell bietet dem Abnehmer Stabilität, während der Erzeuger das Erzeugungsrisiko trägt.
Pay-as-Nominated bzw. Pay-as-Forecasted
Bei der Pay-as-Nominated- oder Pay-as-Forecasted-Lieferstruktur liefert der Produzent eine zuvor prognostizierte Strommenge. Diese Vorhersage ist bindend und wird im Voraus gemeldet.
Abweichungen von der prognostizierten Menge müssen vom Produzenten ausgeglichen werden, etwa durch Zukäufe oder Verkäufe am Markt. Dieses Modell wird häufig in Bilanzkreislieferungen genutzt und erfordert eine präzise Erzeugungsprognose.
Unser Weg zu hochwertigem Ökostrom: Off-Site PPA für eine nachhaltige Zukunft
So schaffen wir eine umfassende Ökostromlösung aus einer Hand: Überschüsse werden effizient vermarktet, Bedarfsschwankungen ausgeglichen.
Die Bedeutung des Lastgangprofils und das Mengenrisiko
Da erneuerbare Energien variabel sind, kann es zu Überschussmengen kommen. Diese stellen ein Mengenrisiko dar, das der Kunde trägt. Er ist verpflichtet, die gesamte erzeugte Strommenge abzunehmen – auch bei schwankendem Bedarf.
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Vermarktung der Überschussmengen
durch MVV
MVV überwacht laufend Stromproduktion und -bedarf, um Überschussmengen zu erkennen und zu bewerten. Überschüssiger Strom wird zu Spotmarktpreisen verrechnet, und die Erlöse werden dem Kunden gutgeschrieben, was die Gesamtkosten senkt.
Der Kunde bezieht nur die benötigte Strommenge, während MVV die Differenz zwischen Erzeugung und Verbrauch ausgleicht.
Beratung mit einem MVV Energieexperten
Interessieren Sie sich für eine nachhaltige Energieversorgung und die Vorteile von PPA? Unsere Experten bei MVV beraten Sie gerne und entwickeln maßgeschneiderte Lösungen für Ihr Unternehmen.

Ausblick
Die Bedeutung von PPA wird weiter wachsen, da Unternehmen und Regierungen verstärkt Klimaziele verfolgen und CO2-Emissionen senken müssen.
Technologische Innovationen und neue Geschäftsmodelle steigern die Effizienz und Attraktivität von PPA. Zudem könnten regulatorische Änderungen und Förderprogramme die Verbreitung beschleunigen.
Unternehmen, die früh auf PPA setzen, stabilisieren ihre Energiekosten, fördern die Energiewende und erreichen ihre Nachhaltigkeitsziele. Die Zukunft der Energieversorgung liegt in innovativen, nachhaltigen Lösungen.

Autor: Florian Dejon
Florian Dejon ist seit Anfang 2018 bei MVV Enamic als Produktmanager unter anderem zuständig für grüne Commodity-Produkte. Zuvor war er fünf Jahre lang Prozessmanager im Bereich Direktvermarkung bei MVV Trading. Florian Dejon studierte Mittelstandsökonomie an der FH Kaiserslautern sowie Internationale BWL und Außenhandel an der FH Worms und legte seinen Schwerpunkt auf die Themen Prozessmanagement und Lean Administration.
Inhaltsverzeichnis
- Wärmeversorgung (15)
- Steuern und Abgaben (13)
- Energiemanagement (11)
- Dekarbonisierung (10)
- Energiemessung (10)
- E-Mobility (9)
- Energiebeschaffung Strom / Gas (8)
- Kälte-, Klima- und Lüftungstechnik (8)
- Fördermittel und -programme (7)
- Nachhaltigkeit (6)
- Photovoltaik (6)
- Rechenzentrum (6)
- Beleuchtung (5)
- Druckluft (5)
- Wärmepumpe (5)
- Experten-Interview (4)
- Lastmanagement (4)
- Netzentgelte (4)
- Power Purchase Agreement (4)
- Stromspeicher (4)
- Fernwärme (3)
- Energieaudit (2)
- Wasserstoff (2)
- ISO 50001 (1)