Die besten Strategien und Beschaffungsmodelle für den Stromeinkauf

17.05.24 11:46 von Tobias Kunzelmann

Beschaffungsmodelle StromeinkaufHohe und volatile Energiepreise, die Substitution konventioneller Energieträger, regulatorische Unsicherheiten und die Anforderungen an die Nachhaltigkeit stellen Unternehmen heute vor große Herausforderungen. Netzentgelte, CO2-Abgaben und Investitionen in innovative Technologien erhöhen den Kostendruck.  

Mit Energieeffizienz, -einsparung und -eigenerzeugung können moderne Unternehmen zwar gegensteuern, aber auch mit dem cleversten Energiemanagement bleibt ein Strombedarf, der bei Energieversorgern gedeckt werden muss.

Diese bieten im B2B-Bereich eine Vielzahl von Produkten, Modellen und Strategien an. Welche die Interessantesten sind und welche Vorteile und Chancen gegenüber den Nachteilen und Risiken damit verbunden sind, haben wir in diesem Beitrag für Sie zusammengefasst.

Option 1: Das Festpreismodell

Der Klassiker unter den Beschaffungsmodellen ist das Festpreismodell, auch „Stichtagsbeschaffung“ genannt. Es fixiert den Strompreis für einen bestimmten Zeitraum, unabhängig von Schwankungen auf dem Energiemarkt. Die Unternehmen schließen einen Vertrag ab, bei dem der Preis pro verbrauchter Kilowattstunde über die Laufzeit von einem bis mehreren Jahren gleich bleibt.

In der Vergangenheit von Vorteil

In der Vergangenheit bot dieses Modell Vorteile, insbesondere in einer Zeit stabiler und prognostizierbarer Energiemärkte. Unternehmen profitierten von einer klaren Kalkulationsgrundlage und waren gegen plötzliche Preisanstiege durch Marktschwankungen geschützt. Dies erleichterte die langfristige Finanzplanung und Budgetierung erheblich.

Der Markt fordert mehr Flexibilität

Heute hat das Festpreismodell an Popularität verloren, hauptsächlich aufgrund der Volatilität des Energiemarktes, der Energiewende und schnellen technologischen Zyklen. Unternehmen suchen heute zunehmend nach flexibleren Beschaffungsstrategien, um besser auf Marktveränderungen reagieren zu können und potenzielle Einsparungen bei fallenden Energiepreisen zu realisieren. Daher hat das Festpreismodell nahezu ausgedient. Es kann in bestimmten Marktumgebungen aber noch seine Berechtigung haben, insbesondere bei kleineren bis mittleren Abnahmemengen und für Unternehmen, die Stabilität über Preisoptimierung priorisieren.

In jedem Fall empfiehlt sich ein Preisvergleich und Sorgfalt bei der Auswahl des Abschlusszeitpunktes.

Vorteile & Chancen

  • Preisstabilität und Schutz vor unerwarteten Preisanstiegen
  • Einfache Budgetierung und Finanzplanung
  • Hohe Mengenflexibilität, abhängig vom Produkt
  • Geringer personeller und administrativer Aufwand 


Nachteile & Risiken

  • Hohes Preisrisiko durch Auswahl des Abschlusszeitpunktes
  • Fehlende Flexibilität, um von fallenden Marktpreisen zu profitieren
  • Langfristige Bindung, die bei sinkenden Preisen nachteilig sein kann
  • Geringes Potenzial für Einsparungen, da Kostenvergleich ohne Marktchancen
  • Keine Kostentransparenz
  • Kein Aufbau von Know-how im eigenen Unternehmen


Option 2: Strukturierte Beschaffung mit dem Tranchenmodell

Anstatt den gesamten Strombedarf auf einmal zu einem festen Preis zu kaufen, erwerben Unternehmen bei diesem Modell mehrere Teilmengen (Tranchen), zu verschiedenen Zeitpunkten. Dies geschieht in der Regel über einen vordefinierten Zeitraum, wobei die Kaufentscheidungen entsprechend den Marktbedingungen getroffen werden.

Auf den richtigen Zeitpunkt kommt es an – und die Anzahl der Tranchen

Neben den strategisch richtigen Zeitpunkten der Tranchenkäufe sind die Anzahl der einzelnen Tranchen relevant. Grundsätzlich gilt: Je höher die Zahl der Tranchen, je mehr kann das Preisrisiko reduziert werden. Das ist besonders für Betriebe mit hohem Energiebedarf interessant, da die Energiekosten eine unmittelbare Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit und den Geschäftserfolg haben.

Transparenter als Festpreise

Strukturierte Beschaffungsangebote sind im Vergleich zu Festpreisen transparenter, da der Energiepreis und das Dienstleistungsentgelt des Versorgers getrennt ausgewiesen werden.

Mengenflexibilität und Preisdifferenzierung

Üblicherweise wird nur ein Teil des Energiebedarfs am Terminmarkt beschafft. Die Teilnahme am kurzfristigen Spotmarkt (Day-Ahead-Mark) bietet gute Möglichkeiten der Preisdifferenzierung und maximale Mengenflexibilität. Dazu später mehr.

Vorteile & Chancen

  • Geringer administrativer Aufwand bei automatisierter Beschaffung
  • Geringes Preisrisiko durch Einkauf zu mehreren Zeitpunkten
  • Verlagerung von Aufgaben wie Beschaffung und Marktbeobachtung auf Energieversorger bzw. Dienstleister. Die Bestimmung der Einkaufzeitpunkte wird von Experten gesteuert.
  • Zeitersparnis durch Wegfall regelmäßiger Ausschreibungen
  • Teilnahme am Spotmarkt und maximale Mengenflexibilität (bei Spotprodukten)


Nachteile & Risiken

  • Hoher Aufwand durch Marktbeobachtung bei individueller Tranchenauswahl
  • Energiepreis zum Abschlusszeitpunkt offen

Zusammenfassend bietet das Tranchenmodell eine strategische Option für Unternehmen, die eine aktive Rolle in ihrer Energiebeschaffung übernehmen möchten. Es kombiniert Flexibilität mit Risikomanagement und kann, richtig angewandt, zu signifikanten Kosteneinsparungen führen.

Option 3: Portfoliomanagement

Das Portfoliomanagement ist die komplexeste und aufwändigste, aber auch flexibelste Form der Strombeschaffung. Es eignet sich für vor allem für energieintensive Großverbraucher mit hohem Handels- und Markt-Know-how.


Strategie für maximale Flexibilität und Kosteneffizienz

Der strategische Ansatz ist, verschiedene Produkte so zu kombinieren, dass sie den Bedürfnissen des Unternehmens hinsichtlich Energieverbrauch und Budgetanforderungen optimal entsprechen.

Durch die Diversifizierung des Energieportfolios können unternehmensspezifische Risikomanagementstrategien zur Energiebeschaffung abgebildet werden.


Bedarfsdeckung mit Standarthandels- und Spotmarktprodukte

Der Energiebedarf kann mit der individuellen Beschaffung von Standardhandelsprodukten (Base- und Peakload) in Monats- Quartals- und Jahresbändern gedeckt werden. Offene Positionen können am Spotmarkt beschafft und je nach Produkt die Abweichungen zwischen Prognose und Ist-Bezug mit Ausgleichsenergiepreisen verrechnet werden. Beschaffungsstrategie und Know-how erforderlich Das Portfoliomanagement bietet sehr hohe Flexibilität, erfordert aber eine klare Beschaffungsstrategie und hohe personelle Ressourcen zum Aufbau des Know-hows, zur Marktbeobachtung und konsequenten Umsetzung der Strategie.


Vorteile & Chancen

  • Teilnahme am Energiegroßhandel und Zugriff auf unterschiedliche Handelsmechanismen und standardisierte börsennotierte Produkte
  • Kosteneffizienz durch die Möglichkeit, individuelle Hedging-Strategien umzusetzen und von Marktschwankungen zu profitieren
  • Hohe Flexibilität und transparente Kosten


Nachteile & Risiken

  • Hoher Personalaufwand für Marktbeobachtung und Handel
  • Änderung der Organisationsstrukturen
  • Umfassendes Know-how erforderlich


Zusatzoptionen zur Diversifizierung und Optimierung: der Termin- und Spotmarkt

Um die Einkaufsstrategie noch weiter zu diversifizieren und optimieren, können beim Tranchenmodell und Portfoliomanagement neben der Terminbeschaffung auch der kurzfristige Spotmarkt genutzt werden.


Terminmarkt (Futures und Forwards) in Kombination mit dem Tranchemodell

Auf diesem Markt werden Verträge über den Kauf oder Verkauf von Strom zu einem festgelegten Preis zu einem zukünftigen Zeitpunkt abgeschlossen. Im Rahmen des Tranchenmodells kann sich ein Unternehmen bestimmte Mengen seines Bedarfs auf dem Terminmarkt zu stabilen Preisen sichern, um so gegen zukünftige Preisschwankungen gewappnet zu sein. Vorteile & Chancen Preis- und Budgetsicherheit Langfristige Kalkulier- und Planbarkeit der Energiekosten


Spotmarkt in Kombination mit dem Tranchemodell

Auf dem Spotmarkt (Day Ahead) wird Strom für die Lieferung am folgenden Tag gehandelt. Die Energiepreise resultieren aus einem Auktionsverfahren, bei dem die geplante Nachfrage auf die Angebotsseite trifft. Das Preisniveau am Spotmarkt unterliegt Schwankungen. Bei geringer Nachfrage oder hoher Erzeugungsleistung aus erneuerbaren Quellen sind temporär sogar negative Energiepreise möglich. Vorteile & Chancen Flexibilität und die Möglichkeit, von niedrigen Preisen zu profitieren Dynamische Anpassung der Einkaufsstrategie


Termin- und Spotmarkt im Portfoliomanagement

Durch die kombinierte Nutzung von Termin- und Spotmarkt können Unternehmen Risiken diversifizieren und Einsparpotenziale erschließen. Während der Terminmarkt Stabilität bietet, ermöglicht der Spotmarkt die Nutzung von Marktchancen und Preisrückgängen. Strategisches Hedging durch den Kauf von Futures kann außerdem helfen, das Portfolio gegen Preisspitzen abzusichern, während der gezielte Einkauf am Spotmarkt Flexibilität in der Beschaffungsstrategie erlaubt. Vorteile & Chancen Ausgeklügelte Balance aus Risiko, Kostenkontrolle und Flexibilität Wirtschaftliche Strombeschaffung

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Fazit

Alle Beschaffungsmodelle haben gewisse Vor- und Nachteile. Eine differenzierte Betrachtung hilft Einkäuferinnen und Einkäufern bei der Entscheidung für den Strategie- und Produktmix. Für Unternehmen, die das Preisrisiko minimieren, einen günstigen Preis erzielen und den Aufwand gering halten wollen, kann die strukturierte Beschaffung mit dem Tranchenmodell die Lösung der Wahl sein. 

Lassen Sie sich von unseren Expertinnen und Experten beraten.

Welche Lösungen perfekt zu Ihrem Bedarf und Anforderungsprofil passen, analysieren wir gerne für Sie im Rahmen einer unverbindlichen Erstberatung – individuell, kostenfrei und ohne Entscheidungsdruck. Neben der richtigen Beschaffungsstrategie ist auch der nachhaltige Stromeinkauf für viele Unternehmen das Thema der Zeit. Lesen Sie mehr dazu im Beitrag „Ökostrom: Wege zu einem nachhaltigen Stromeinkauf”. 

Themen: Power Purchase Agreement

Tobias Kunzelmann

Autor: Tobias Kunzelmann

Der diplomierte Wirtschaftsingenieur war seit 2009 in verschiedenen Unternehmen als Key-Account-Manager und in führender Position in der operativen Geschäftsentwicklung tätig. Bei MVV Enamic leitet er den Vertrieb Industriekunden. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den neusten Trends in der Energiewirtschaft und berät Unternehmen in Fragen der Dekarbonisierung, Energieeffizienz, wirtschaftlichen Energiebeschaffung und Nachhaltigkeit.

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