Was sind „vermiedene Netzentgelte“?
Betreiber von dezentralen Erzeugungsanlagen erhalten von ihrem Verteilnetzbetreiber Vergütungen gemäß § 18 Abs. 1 S.1 StromNEV für die durch ihre Energieeinspeisungen vermiedenen Netzentgelte. Eingeführt wurde diese Vergütung vor dem Hintergrund der Annahme, dass regional produzierter und verbrauchter Strom die großen Überlandleitungen entlastet.
Das klang aus damaliger Sicht logisch: In den Netzen muss bei dezentraler Stromeinspeisung weniger Strom transportiert werden, die Stromentnahme aus dem vorgelagerten Netz sinkt, und letztlich wird weniger Netzentgelt fällig. Allerdings hat sich gezeigt, dass den möglichen Einsparungen durch eine dezentrale Einspeisung auch Zusatzinvestitionen gegenüberstehen - beispielsweise in neue Schutzsysteme oder in Informations- und Kommunikationstechnik.
Wie setzen sich vermiedene Netzentgelte zusammen?
Die vermiedenen Netzentgelte setzen sich aus einem Arbeits- und einem Leistungsanteil zusammen. Voraussetzung ist, dass es eine viertelstündliche Leistungsmessung gibt. Grundlage der Berechnung sind die von den jeweiligen Netzbetreibern veröffentlichten Preise.
Die Regelungen im EnWG laufen auf ein Einfrieren der Höhe der vermiedenen Netzentgelte hinaus. Konkret heißt das:
- Seit 1. Januar 2018 gelten für die Kalkulation der vermiedenen Kosten die Netzentgelte der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene, die am 31. Dezember 2016 anzuwenden waren.
- Von der Erlösobergrenze des jeweiligen Netzbetreibers sind die Kostenbestandteile nach 17d Abs. 7 EnWG und § 2 Abs. 5 EnLAG vollständig aus den Erlösobergrenzen des Jahres 2016 herauszurechnen. Voraussetzung: Diese waren in den damaligen Erlösobergrenzen enthalten und sind dementsprechend in die Preiskalkulation des Jahres 2016 eingeflossen.
Wer hat ab 2020 noch einen Anspruch auf vermiedene Netzentgelte?
Das ist in § 120 EnWG und dem geänderten § 18 StromNEV klar geregelt.
- Für neue Windkraft- und Solaranlagen (volatile Erzeugungsanlagen) gibt es keine vermiedenen Netzentgelte mehr.
- Für bestehende Windkraft- und Solaranlagen die vor dem 1. Januar 2018 in Betrieb genommen wurden, bleibt der Anspruch auf vermiedene Netzentgelte erhalten.
- Nicht-volatile oder steuerbare Anlagen wie etwa KWK-Anlagen, erhalten die Vergütung ebenfalls weiter. Sie müssen allerdings vor dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen werden.
Gibt es Ausnahmen bei vermiedenen Netzentgelten?
Keinen Anspruch haben Betreiber, bei deren Anlagen für die Stromeinspeisung einer der folgenden Punkte zutrifft:
- Förderung nach 19 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
- Vergütung nach 6 Absatz 4 Satz 1 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes und § 13 Absatz 5, wenn darin vermiedene Netzentgelte enthalten sind
- Nach 8a Absatz 1 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes geförderte KWK-Anlagen.
Betreiber von EEG-Anlagen betrifft die Neuregelung also nicht: Die vermiedenen Netzentgelte sind bereits in der EEG-Vergütung enthalten.
Fazit
Ganz abgeschafft sind die vermiedenen Netzentgelte nicht, für neue Windkraft- und Solaranlagen werden sie jedoch nicht mehr angerechnet. Für Geschäftskunden ist das grundsätzlich eine gute Nachricht. Für sie sinken die Netzentgelte insgesamt, was zu einer Kostenentlastung führt. Das ist eines der Ziele des Gesetzes zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (kurz NEMoG). Denn gewerbliche und industrielle Nutzer verbrauchen in der Regel deutlich mehr Strom als Privathaushalte – dementsprechend höher ist auch ihre Belastung durch die Netzentgelte. Zwar gibt es für gewerbliche und industrielle Nutzer auch verschiedene Entlastungen, jedoch können beim Auftreten von bereits kurzen Lastspitzen die Netzentgelte insgesamt erheblich ansteigen. Wie Firmen das vermeiden können, erfahren Sie in unserem Whitepaper.
Autor: Jörg Lieske
Energieberater, BFE Institut für Energie und Umwelt GmbH
Jörg Lieske ist seit 1999 in verschiedenen Positionen bei der BFE Institut für Energie und Umwelt GmbH (ein Unternehmen der MVV Energie Gruppe) tätig. Er befasst sich seit vielen Jahren neben der Effizienzsteigerung technischer Anlagen, mit Möglichkeiten zur Reduzierung von Energiekosten durch kaufmännisch/organisatorische Maßnahmen und verantwortet den Bereich Fördermittelmanagement.
Inhaltsverzeichnis
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