Mit einer Wärmepumpe lassen sich Häuser und Wohnungen komfortabel und dekarbonisiert heizen. Aber wussten Sie auch, dass sich Industrieunternehmen mit Wärmepumpen vom Energieträger Erdgas unabhängig machen können? Möglich wird das zum Beispiel durch Hochtemperaturwärmepumpen. Sie sind in der Lage, Prozesswärme und sogar Dampf auf unterschiedlichen Niveaus, auch jenseits von 100 °C zur Verfügung zu stellen. Dank der Förderung dieser Technologie lohnt sich das für Unternehmen sogar schneller, als viele erwarten.
So arbeitet eine Wärmepumpe
Das Prinzip einer Wärmepumpe ist nicht sonderlich kompliziert. Wärmepumpen entziehen einer Wärmequelle auf niedrigem Temperaturniveau Wärme und heben diese auf ein höheres, also nutzbares Temperaturniveau. Das im Verdampfer entstehende Kältemittelgas wird mithilfe eines Verdichters verdichtet und erhitzt. Das heiße Kältemittelgas strömt in den Kondensator, wo es unter Abgabe von Wärme kondensiert. Der Kältemittelkreislauf wird durch eine Drossel komplettiert, über welche das Kältemittelkondensat entspannt und automatisch abgekühlt wird. Bei der Entspannung entsteht größtenteils flüssiges Kältemittel, das im Verdampfer (erneut) verdampft wird. Die hier angefügte Grafik soll Ihnen das schematisch verdeutlichen:
Diese Wärmepumpen können hohe Temperaturen erzeugen
Je nach Anwendungsfall brauchen Unternehmen und Betriebe sehr unterschiedliche Temperaturniveaus für ihre Prozesse. Für die Gebäudebeheizung reichen beispielsweise 70 – 80 °C. Geht es um Prozesswärme, können weit über 120 °C nötig sein. Aus diesem Grund unterscheiden wir bei Wärmepumpen drei verschiedene Klassen:
- Konventionelle Wärmepumpen: Sie sind bis etwa 80 °C einsetzbar.
- Hochtemperaturwärmepumpen (HTWP): Sie eignen sich für Temperaturen von 80 – 100 °C.
- Very High Temperature Wärmepumpen (VHTWP) oder Höchsttemperaturwärmepumpen. Diese erreichen Temperaturen jenseits der 120 °C.
Die Jahresarbeitszahl entscheidet über die Effizienz
Wärmepumpen verwenden elektrische Energie bei der Erzeugung von Wärme. Dabei arbeiten manche Systeme effizienter als andere. Das liegt nicht nur an der eingesetzten Technologie, sondern auch am Temperaturhub. Dieser beschreibt den Unterschied zwischen der Ausgangstemperatur der Wärmequelle und der abgegebenen Wärme. Je kleiner dieser Temperaturhub (auch Delta T oder ΔT genannt) ist, desto effizienter ist ein System.
Dazu kommt, dass Wärmepumpen technisch mehr oder weniger effizient sein können. Um das zu ermitteln, gibt es zwei definierte Zahlen. Die erste Kennzahl ist der COP (Coefficient of Performance). Er beschreibt das Verhältnis von Nutzen zu Aufwand oder anders gesagt: das Verhältnis von der am Ende nutzbaren Wärme zu der anfangs eingebrachten elektrischen Energie. Der COP in den Datenblättern der Hersteller gilt immer für definierte Temperaturen auf der kalten und heißen Seite der Wärmepumpe.
Wesentlich aussagekräftiger als dieser – bei normierten Standardbedingungen ermittelte – COP ist aber die JAZ, die Jahresarbeitszahl. Sie ermittelt die durchschnittliche Effizienz der Pumpe über das ganze Jahr hinweg. Als effizient gelten Wärmepumpen im Haustechnikbereich mit JAZ > 3. In der Industrie ist die Varianz deutlich größer. Je nach Projekt können sich gute Nettoeinsparungen schon ab JAZ-Werten > 2,5 ergeben. Projekte mit JAZ-Werten von über 5 sind erstrebenswert. Beispiele für solche Projekte finden sich im weiteren Text.
Diese Wärmequellen und Prozesse passen zusammen
Der zuvor erwähnte Temperaturhub ΔT ist besonders entscheidend für die Effizienz einer Wärmepumpenanlage. Beträgt er zum Beispiel 25 Kelvin, arbeitet eine Wärmepumpe etwa doppelt so effizient wie bei einem ΔT von 50 Kelvin. Professionelle Planer bringen passende Wärmequellen und Nutzwärmesenken zusammen. Die Grafik gibt einen Überblick über mögliche Kombinationen im industriellen Kontext:
Auf das richtige Kältemittel kommt es an
Für den Einsatz in Wärmepumpen gibt es eine Vielzahl von Kältemitteln. Einige sind allerdings gesundheitsschädlich, klimaschädlich oder leicht entzündbar. Um den Einsatz dieser Mittel zu reduzieren, wurde die sogenannte F-Gase-Verordnung ins Leben gerufen. Als zukunftsfähige Kältemittel gelten heute solche, die ein geringes Global Warming Potential (GWP) und Ozone Depletion Potential (ODP) aufweisen.
Bei den Kältemitteln muss außerdem berücksichtigt werden, dass sie ihre Stärken in verschiedenen Einsatz- und Temperaturbereichen unterschiedlich ausspielen. Hier geht es um thermische Eignung, Sicherheit, Effizienz, volumetrische Heizleistung und nicht zuletzt um Kosten, Verfügbarkeit und die sichere technische Beherrschbarkeit.
So werden Wärmepumpen für die Industrie gefördert
Wärmepumpen sind eine Schlüsseltechnologie für die Dekarbonisierung in der Industrie, daher werden sie vom Bundeswirtschaftsministerium über die sog. EEW-Module gefördert. Die Module unterscheiden nach Art der Wärmequelle. Handelt es sich um industrielle Abwärme, findet EEW-Modul 4 Anwendung. Die Fördersätze betragen derzeit 25 Prozent für große Unternehmen (GU), 40 Prozent für mittlere Unternehmen (MU) und 50 Prozent für kleine Unternehmen (KU). Alternativ zum fixen Fördersatz können Wärmepumpenprojekte im Rahmen eines Förderwettbewerbs gefördert werden (EEW-Modul 2). Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich über die mehrmals im Jahr eröffneten Wettbewerbsrunden höhere Förderquoten erzielen lassen. Wie aber gelangen die Unternehmen an die Fördermittel? Die Spezialisten vom BFE Institut für Energie und Umwelt aus dem MVV-Partnernetzwerk sind hier kompetente Ansprechpartner. Sie sind mit der „Förderlandschaft“ in Deutschland vertraut und unterstützen die Kunden bei der Einreichung der Projektskizzen und der Teilnahme am Wettbewerb.
Wie schnell rechnet sich die Umstellung der Wärmeerzeugung auf Wärmepumpe?
Eine pauschale Antwort gibt es darauf leider nicht. Von Fall zu Fall müssen erst die technische Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Jedoch sind einzelne Branchen für den Einsatz der Hochtemperaturwärmepumpe geradezu prädestiniert. Überall dort, wo Abwärme in Form von warmen Abwässern oder feuchten, warmen Abluftströmen zur Verfügung steht, können Wärmepumpen mit sehr guten COP-Werten für die Vorwärmung von Prozesswässern oder Prozessluft eingesetzt werden.
Für die Dampferzeugung sind höhere Temperaturhübe erforderlich, daher sinken die COP-Werte bzw. System-COP-Werte und die Amortisationszeiten verlängern sich. Hinzu kommt, dass gerade für die Dampferzeugung die Nutzung von hohen Abwärmetemperaturen ein Vorteil ist. Um das Potenzial der Abwärmequelle zu ermitteln, empfehlen wir die Installation von Messtechnik und die Durchführung von repräsentativen Langzeitmessungen. Auf Basis der gewonnenen Messdaten können Wärmepumpen richtig dimensioniert und ein valider Business Case gerechnet werden. Die neuen Wärmekosten setzen sich, wie auch zuvor, aus Kapitalkosten, Betriebskosten und Verbrauchskosten zusammen. Damit es für Sie als Leser konkreter wird, haben wir zwei auf realen Werten basierende Beispielrechnungen herausgesucht:
Fall 1: Trocknungsprozess in der Lebensmittelindustrie
Nutzung von Abwärme aus einem Trocknungsprozess für die Vorwärmung von Trockenluft: COP = 5, Nutzwärme 1 MW, el. Leistung 200 kW, 5.000 Betriebsstunden.
- Erdgaskosten-Einsparung ca. 400.000 €
- Strom-Mehrkosten ca. 160.000 €
- Brutto-Einsparung = 240.000 €/a
Die Nettoeinsparung ergibt sich durch Abzug aller Kosten, welche im Industrie-Contracting* über 10 Jahre ca. 200.000 €/a beträgt. D. h. die Nettoeinsparung des Kunden beträgt während der Contractinglaufzeit ca. 40.000 €/a. Nach Ablauf von 10 Jahren steigt die Einsparung sprunghaft an, da die Finanzierungskomponente entfällt.
Die CO2-Einsparung der beschriebenen Maßnahme beträgt, Einsatz von Grünstrom vorausgesetzt, ca. 1.350 t/a.
*Rundum-sorglos-Paket inkl. Planung & Bau, Finanzierung u. Betrieb
Fall 2: Kunststoffverarbeitende Industrie
Nutzung von Abwärme aus dem Kühlwasser für die Erzeugung von Prozessdampf in zwei Schritten. Eine Hochtemperaturwärmepumpe erzeugt zunächst Niederdruckdampf, der mittels Dampfverdichter auf das gewünschte Prozessdampfniveau gehoben wird. System COP = 2,5, Nutzwärme 1 MW, el. Leistung 400 kW, 5.000 Betriebsstunden.
- Erdgaskosten-Einsparung ca. 700.000 €
- Strom-Mehrkosten ca. 320.000 €
- Brutto-Einsparung = 380.000 €/a
Die gezeigte Bruttoeinsparung hängt bei kleinen COP-Werten stark vom Erdgas/Strom-Preisverhältnis ab. Eine Sensitivitätsanalyse zeigt den Kunden auf, auf welchem Niveau sich die Nettoersparnis, abhängig von zukünftigen Energiepreisen, bewegt.
Fallbeispiele wie diese zeigen, dass Wirtschaftlichkeit und CO2-Einsparung Hand in Hand gehen können.
Autor: Jörg Schlehe
Vertriebsingenieur, Vertrieb Business-Kunden, MVV Enamic GmbH
Nach seinem Maschinenbaustudium in Aachen begann Jörg Schlehe sein „Leben im Kraftwerk“ als Betriebsingenieur für die Degussa AG. Als Leiter der GuD-Kraftwerke einer Tiefdruckerei in Norditalien sowie einer Papierfabrik initiierte und leitete er Energieeffizienzprojekte. Ab 2013 leitete er das technische Assetmanagement für MVV Enamic mit Verantwortung für 90 dezentrale Energielösungen bzw. Contractingverträge. Seit 2020 ist Herr Schlehe Vertriebsingenieur für Kunden aus der Industrie.
Inhaltsverzeichnis
- Wärmeversorgung (13)
- Steuern und Abgaben (12)
- Energiemanagement (11)
- Dekarbonisierung (10)
- E-Mobility (9)
- Energiemessung (9)
- Energiebeschaffung Strom / Gas (8)
- Fördermittel und -programme (7)
- Kälte-, Klima- und Lüftungstechnik (6)
- Photovoltaik (6)
- Rechenzentrum (6)
- Beleuchtung (5)
- Druckluft (5)
- Nachhaltigkeit (5)
- Wärmepumpe (5)
- Experten-Interview (4)
- Lastmanagement (4)
- Netzentgelte (4)
- Stromspeicher (4)
- Fernwärme (3)
- Power Purchase Agreement (3)
- Energieaudit (2)
- Wasserstoff (2)
- ISO 50001 (1)