Abwärme von Rechenzentren

Portrait Michael Wörster von Michael Wörster
3 Min.
29. Juni 2023

In Rechenzentren fallen erhebliche Mengen an Abwärme an, die bislang kaum genutzt in die Atmosphäre geleitet werden. In den nächsten Jahren wird die Aufgabe darin bestehen, diese Abwärme für den Wärmesektor nutzbar zu machen. Ihre Nutzung kann für Betreiber von Rechenzentren künftig ein wichtiger Hebel für mehr Klimaschutz sein, während die Abnehmer von CO2-freier Wärme profitieren.

Kaum genutztes Potenzial

Auf der Suche nach nachhaltigen Wärmelösungen aus erneuerbaren Energien gilt Abwärme als eine wichtige Option. Neben der Nutzung industrieller Abwärme für die Wärmeversorgung ist die Abwärme von Rechenzentren eine weitere potenzielle Quelle. Mit der dort anfallenden CO2-freien Wärme können Büro-, Gewerbe- und Wohngebäude beheizt, Energie gespart und Heizkosten gesenkt werden. Derzeit wird sie jedoch noch häufig ungenutzt an die Umwelt abgegeben.

Abwärmenutzung wird politisch unterstützt

Um die Potenziale der Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit zu nutzen, sollen Rechenzentren in Deutschland auf ökologische Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausgerichtet werden, unter anderem durch die Nutzung der Abwärme. Im Koalitionsvertrag zwischen den Regierungsparteien ist dies vorgesehen. Im aktuellen Entwurf des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) sind entsprechende Anforderungen für Rechenzentren formuliert. So sollen voraussichtlich neue Rechenzentren, die ab 2027 gebaut werden, zur Abwärmenutzung verpflichtet werden.

Potenzial der Abwärme

Obwohl sich die Effizienz deutscher Rechenzentren in den vergangenen Jahren versechsfacht hat, steigt ihr Energieverbrauch weiter an. Der Grund ist insbesondere der zunehmende Ausbau von Cloud-Diensten. Lag der Energiebedarf im Jahr 2012 noch bei 11 Milliarden Kilowattstunden, ist er nach Angaben von Bitkom bis 2022 auf 18 Milliarden Kilowattstunden gestiegen – das sind etwa 0,55 Prozent am Gesamtenergieverbrauch in Deutschland. Nach Bitkom-Berechnungen könnten mit der Nutzung der Abwärme von Rechenzentren jährlich rund 350.000 Wohnungen versorgt werden, was fast dem Bestand im Stadtstaat Bremen entspricht.

Dieses Potenzial wird weiter steigen: Bis 2030 wird ein Anstieg des Energiebedarfs auf 27 bis 34 Milliarden Kilowattstunden prognostiziert. Dadurch steht immer mehr potenzielle Abwärme durch Rechenzentren zur Verfügung, die bislang noch nicht genutzt wird.

Luft- oder Flüssigkeitskühlung

Abwärme fällt in Rechenzentren bei der Kühlung der Server an. Dominierend ist noch die Umluftkühlung, die durch die Abwärme der Server auf rund 35 Grad aufgeheizt wird. Die Umluft wird dann über ein Umluftkühlgerät an das Medium Wasser getauscht. Dieses Wasser mit einer Temperatur von circa 25 bis 27 Grad kann dann einer Abwärmenutzung zur Verfügung gestellt werden. Im Gegensatz dazu wird bei der Flüssigkühlung – üblicherweise mit Wasser – die Abwärme meist direkt vom Prozessor (CPU) und anderen relevanten Komponenten abgeführt. Die Abwärmetemperatur kann hier zwischen 55 und 60 Grad schwanken.

Anstatt die Wärme direkt (Luftkühlung) oder über einen Chiller (Flüssigkeitskühlung) an die Umgebung abzugeben, könnte sie durch die Anbindung an ein Fern- oder Nahwärmenetz zum Heizen oder für die Warmwasserbereitung von Gebäuden genutzt werden. Das erfordert in der Regel individuelle Lösungen.

Temperaturen müssen angehoben werden

Die Abwärme von Rechenzentren kann nicht direkt in einem Fernwärmenetz genutzt werden. Dafür sind die Temperaturen zu niedrig. Ein Fern- beziehungsweise Nahwärmenetz wird in der Regel mit Vorlauftemperaturen von 70 bis 130 Grad betrieben. Die Temperatur der Abluft (Luftkühlung) oder des Warmwassers (Flüssigkeitskühlung) muss deshalb mithilfe spezieller, hocheffizienter Wärmepumpen so weit erhöht werden, dass sie das Niveau des Wärmenetzes erreicht und Schwankungen beim Anfall von Abwärme ausgeglichen werden. Die Flüssigkeitskühlung bietet hier technisch bessere Voraussetzungen, da die Wärme bereits in flüssiger Form vorliegt. 

Contractor sichert langfristige Wärmelieferung

Um die unterschiedlichen Interessenlagen (Wärmeerzeuger/Wärmeabnehmer) zielführend zusammenbringen zu können, ist es sinnvoll, den Veredelungsprozess und die Weitergabe der Wärme über einen Contractor zu organisieren, der eine langfristige, kontinuierliche Wärmelieferung sicherstellt. Fehlende Wärmemengen können durch entsprechende Redundanzanlagen, beispielsweise ein Gas- oder Müllkraftwerk bei großen Wärmenetzen oder Wärmepumpen mit einer anderen Quelle in kleineren Nahwärmenetzen, ausgeglichen werden. Die Betreiber von Rechenzentren sparen dadurch aufwendige Investitionskosten und können ihre Abwärme unkompliziert den Abnehmern zur Verfügung zu stellen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass der Contractor auch für die notwendigen Wartungs- und Sicherheitsmaßnahmen sorgt. 

Lösungen für eine effiziente und nachhaltige Abwärmenutzung

Die MVV Enamic ist mit ihren Tochterunternehmen BFE Institut für Energie und Umwelt und der Data Center Group kompetenter Partner für die klimafreundliche und effiziente Nutzung von Abwärme in Rechenzentren. Die Data Center Group ist auf die Planung, den Bau sowie den Betrieb von Rechenzentren spezialisiert. Der Data-Center-Spezialist setzt seine umfassende Kompetenz für eine energieeffiziente und wirtschaftliche Nutzung der Abwärme ein und realisiert die technische Schnittstelle zur Abgabe der Abwärme an einen Abnehmer. Für die ganzheitliche Beratung von potenziellen Anwendern vor Ort zeichnet BFE verantwortlich. Das Beratungsunternehmen begleitet seit mehr als 40 Jahren Kunden und Partner auf dem Weg zu einer klimaneutralen Versorgung und zeigt ihnen Wege für mehr Energie- und Ressourceneffizienz auf. MVV Enamic bietet den Geschäftskunden ganzheitliche Energielösungen aus einer Hand, darunter auch wirtschaftliche Contracting-Lösungen. Gemeinsam mit seinen Lösungshauspartnern unterstützt das Unternehmen seine Kunden auf dem Weg zu einem nachhaltigen Rechenzentrum beziehungsweise einer nachhaltigen Wärmeversorgung.

 

Ansprechpersonen

Florian Boss

Florian Boss ist Key Account Manager Immobilienwirtschaft bei der MVV und studierter Wirtschaftsingenieur. Florian Boss war 10 Jahre tätig in der Energiebranche im Kraftwerksbereich und zuständig für den Anlagenservice für Gasturbinenkraftwerke im Bereich DACH. Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung stelle er das Thema Nachhaltigkeit und Energiewende in den Fokus seines zukünftigen Jobs. 2018 hat er den Wechsel in die Immobilienbranche gewagt um sich bei innovativen, komplexen und zukunftsorientierten Projekten an der Energiewende zu beteiligen. Projekte mit hoher technischer Komplexität unter Einhaltung der Nachhaltigkeit sind sein Ansporn.

Topics: Rechenzentrum