Blindleistung im Netz reduzieren und dadurch Kosten vermeiden

25.04.24 08:22 von Jochen Fuchs

Blindleistung_Energieeffiienz-und-Energiemanagement_Re-Blogartikel_1240x840px_240418Blindleistung belastet nicht nur das Stromnetz, sondern kann für Unternehmen auch ein zusätzlicher Kostenfaktor sein. Denn wenn die nicht nutzbare Blindleistung im Netz eine bestimmte Grenze überschreitet, wird sie dem Stromkunden in Rechnung gestellt. Im folgenden Beitrag erläutern wir, was Blindleistung bzw. Blindstrom ist, wie sie entsteht und wie Verbraucher die Blindenergiekosten reduzieren oder sogar ganz vermeiden können.

Wie entsteht Blindleistung?

Blindleistung ist eigentlich ein irreführender Begriff. Er bezeichnet den Anteil des Stroms im Stromnetz, der nicht in nutzbare Energie umgewandelt wird. Dieser Teil des Stroms lässt sich also nicht für den Betrieb von Anlagen oder Geräten verbrauchen – daher sein Name.

Ganz überflüssig ist die Blindleistung aber nicht. Sie ist erforderlich, um zum Beispiel in Transformatoren, Generatoren, Elektromotoren oder Vorschaltgeräten Magnetfelder auf- und abzubauen oder Kondensatoren zu laden. Die Magnetfelder sorgen dafür, dass der Strom im Wechselstromnetz übertragen wird. Ohne Blindleistung käme also auch der nutzbare Strom nicht vom Kraftwerk zum Verbraucher.

Dabei steigt der Anteil der Blindleistung besonders, wenn der Strom unregelmäßig ins Netz eingespeist wird. Das ist etwa beim Strom der Fall, der aus den erneuerbaren Energien Wind und Sonne gewonnen wird. Wird zu viel Strom ins Netz eingespeist, muss zur Regulierung der dadurch entstehenden Spannungen zusätzlich Blindleistung übertragen werden.

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Definition: Blindleistung, Wirkleistung, Scheinleistung

  • Blindleistung baut Magnetfelder auf und ist erforderlich, um die Wirkleistung zu übertragen. Sie fließt im Stromnetz zwischen Erzeuger und Verbraucher hin und her, lässt sich aber nicht in andere Energieformen umwandeln.
  • Wirkleistung ist die Energie, die tatsächlich in andere Energieformen umgewandelt wird und die der Verbraucher etwa als Bewegungsenergie, Wärme oder Licht nutzen kann.
  • Die  Scheinleistung setzt sich aus der Wirkleistung und der Blindleistung zusammen. Sie bezeichnet den gesamten im Stromnetz bereitgestellten Strom, von dem ein bestimmter Anteil – die Blindleistung – aber nicht verbraucht werden kann.

Ein gerne herangezogenes Beispiel veranschaulicht den Zusammenhang anhand eines mit Bier und Schaumkrone gut gefüllten Glases. Das Bier entspricht der Wirkleistung, der Schaum der Blindleistung. Beides zusammen ergibt die Scheinleistung, denn das Glas hätte sich ohne den Schaum weiter (und wirkungsvoller) füllen lassen.

Was kostet die Blindleistung den Verbraucher?

Was im Stromnetz genau vor sich geht, ist nicht nur für Physiklehrer und Bierliebhaber interessant. Das hat einen einfachen Grund: Wenn eine bestimmte Grenze überschritten wird, müssen die Verbraucher die in der Scheinleistung enthaltene Blindleistung bezahlen. Denn die Energieversorger müssen die Scheinleistung übertragen, damit die Verbraucher die Wirkleistung nutzen können. In den Tarifverträgen des EVUs ist der vereinbarte Leistungsfaktor festgehalten und vom Verbraucher einzuhalten.

Davon betroffen sind Unternehmen, deren Anlagen entsprechend große elektromagnetische Felder erzeugen. Sie finden diesen Kostenfaktor als eigene Position auf der Stromrechnung. Privatkunden werden mit den durch Blindleistung verursachten Kosten dagegen nicht belastet.

Kosten für die Blindleistung reduzieren

Die Blindenergiekosten lassen sich reduzieren oder sogar komplett vermeiden. Erforderlich ist dafür eine sogenannte Blindstromkompensationsanlage. Kosteneinsparungen und verbesserte Effizienz stehen bei der Investition in eine solche Anlage im Vordergrund. Denn in der Regel stellen Energieversorger den Blindstrombedarf ab einem Anteil von mindestens 50 Prozent der Wirkarbeit in Rechnung.

Eine Blindstromkompensationsanlage macht sich zwei Arten von Blindströmen zunutze, die sich gegenseitig aufheben können:

  • Induktive Blindströme. Diese entstehen unter anderem durch elektromagnetische Effekte in Spulen von Elektromotoren.
  • Kapazitiver Blindstrom. Er wird etwa in den Kondensatoren (Energiespeichern) einer Blindstromkompensationsanlage erzeugt.

Indem eine Blindstromkompensationsanlage kapazitive Blindleistung erbringt, kompensiert sie induktiven Blindstrom. Gut zu wissen: Um Letzteren in einer Anlage zu kompensieren, werden Kondensatoren der jeweils richtigen Leistung den Verbrauchern parallelgeschaltet.

  • Das entlastet die Stromleitungen – und die Stromrechnung: Denn es fließt kaum noch Blindstrom durch die Leitung vom und zum Energieerzeuger (Kraftwerk).
  • Ein weiterer positiver Effekt: Bei gleichem Leitungsquerschnitt kann der Versorger mehr Wirkstrom zum Unternehmen übertragen.

Welche Arten von Blindstromkompensation es gibt

Grundsätzlich gibt es drei Arten der Kompensation: die Einzel-, Gruppen- und Zentralkompensation. Je nach den Anforderungen im Unternehmen bietet sich auch eine Kombination der verschiedenen Möglichkeiten an.

Einzelkompensation: Bei dieser Lösung erfolgt die Blindstromkompensation direkt an dem Verbraucher. Der Kondensator wird nur während der Laufzeit des Verbrauchers genutzt. Eine Einzelkompensation eignet sich insbesondere für Verbraucher mit langer Einschaltdauer.

Gruppenkompensation: In diesem Fall können mehrere Verbraucher, die gemeinsam betrieben werden, über einen einzelnen Kondensator erfasst werden. Diese Art der Kompensation bietet sich für Verbraucher an, die gleichzeitig betrieben werden. Entsprechend eignet sich diese Lösung dann, wenn mehrere Verbraucher zeitgleich zu- und abgeschaltet werden. Die Gruppenkompensation wird zum Beispiel bei einer gleichzeitigen Schaltung mehrerer Motoren oder größerer Leuchtengruppen angewendet.

Zentralkompensation: Die Zentralkompensation wird in die Hauptverteilung eingebaut und nicht direkt an den Verbraucher. Die Kondensatoren können dabei einzeln zugeschaltet werden. Diese Variante bietet sich für größere Anlagen mit vielen Verbrauchern, mit unregelmäßigem Betrieb an.

Eine Kompensationsanlage amortisiert sich rasch

Eine Anlage zur Kompensation von Blindstrom kann beim Verbraucher ohne größere Eingriffe nachgerüstet werden. Die Investitionskosten amortisieren sich im Durchschnitt in zwei bis drei Jahren. Im Einzelfall sind auch Amortisationszeiten von unter einem Jahr möglich. Die Anlage arbeitet am wirksamsten, wenn sie verbraucher- und zeitnah installiert wird. Dies reduziert den im Stromnetz pendelnden Blindstrom am effektivsten.

Die Wirtschaftlichkeitsanalyse sollte ein fachkundiger Experte vornehmen. Gemeinsam mit ihm sollte auch die geeignete Anlage ausgewählt werden. Und mit der richtigen Wartung der Blindstromkompensationsanlage sorgen Sie für mehr Leistung und weniger Kosten.

Vorteil: Blindleistungskompensation senkt auch Investitionskosten

Die Anschaffung einer Kompensationsanlage hilft aber nicht nur, Stromkosten zu sparen. Sie kann auch dazu beitragen, Kosten für eine Erweiterungsinvestition zu vermeiden. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Leistung des unternehmenseigenen Transformators nicht für eine geplante Erweiterung des Maschinenparks ausreicht und deshalb ein neuer, größerer Transformator angeschafft werden müsste. Möglicherweise reduziert eine solche Anlage die Blindleistung aber so weit, dass die Leistung des alten Transformators für die neuen Verbrauchsgeräte ausreicht. Dann kann das Unternehmen auf die Investition in einen neuen Transformator verzichten.

Der Grund: Wenn die Blindleistung sinkt, wird das Stromnetz entlastet. Im Netz stehen dann mehr Kapazitäten zur Verfügung. Im Idealfall entspricht im entlasteten Stromnetz die Scheinleistung nun der Wirkleistung. Bei der Berechnung der Wirtschaftlichkeit der Investitionen stellt der Stromkunde den Kosten für einen neuen Transformator die Kosten für eine Anlage zur Blindleistungskompensation und die mögliche Senkung der Stromkosten gegenüber.

Auch der CO2-Ausstoß wird gesenkt

Zusätzlich trägt die Kompensation von Blindstrom dazu bei, dass weniger CO2 ausgestoßen wird. Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) geht davon aus, dass in Deutschland das Potenzial besteht, die Netzverluste auf diese Weise jährlich um 1,7 Milliarden kWh (1,7 TWh/a) zu senken. Das entspricht dem Stromverbrauch von 480.000 Haushalten und einem Ausstoß von 950.000 Tonnen CO2, so der ZVEI. Das Glas Bier lässt sich dann sicher guten Gewissens weiterhin mit Schaum genießen.

Fazit

Blindleistung kann nicht in nutzbare Energie umgewandelt werden und steht deshalb nicht für den Betrieb von Anlagen zur Verfügung. Überflüssig ist sie aber nicht: Sie ist erforderlich, um den nutzbaren Strom (die Wirkleistung) im Wechselstromnetz vom Kraftwerk zum Verbraucher zu übertragen. Dadurch belastet sie aber die strapazierten Stromnetze zusätzlich. Bei Nichteinhaltung der vertraglichen Vereinbarungen mit dem EVU stellen die Energieversorger die Blindleistung ihren Unternehmen in Rechnung. Abhilfe kann eine Blindstromkompensationsanlage schaffen. Der Einbau einer solchen Anlage bietet gleich mehrere Vorteile: Er reduziert den Anteil des Blindstroms im Stromnetz und senkt damit die Stromkosten. Zudem kann die bessere Nutzung der Netzkapazität Investitionskosten vermeiden und – last but not least – zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes beitragen.

Energieverbräuche und -kosten effektiv senken

Neben der Kompensation von Blindstrom gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, um Energiekosten zu reduzieren. Für energieintensive Unternehmen kann sich beispielsweise ein intelligentes Lastmanagement auszahlen. Es verhindert Lastspitzen und hilft, die Kosten für die Netzentgelte deutlich zu senken.

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Themen: Energiemanagement

Jochen Fuchs

Autor: Jochen Fuchs

Jochen Fuchs ist seit 1998 als Energiemanager für BFE Institut für Energie und Umwelt (ein Unternehmen der MVV Energie Gruppe) tätig. Seine Aufgabenschwerpunkte liegen in der Durchführung von Effizienzberatungen, der Erstellung von kaufmännischen und technischen Potenzialanalysen sowie der Beratung von Kunden aus allen Branchen.

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