Grau-blau-grün: Ist Wasserstoff der Energieträger der Zukunft?

15.04.21 15:07 von David Kreiselmaier

WasserstoffIst Wasserstoff die Zukunftsperspektive der Energiewende? Nun, da Wasserstoff in der Natur (fast) ausschließlich chemisch gebunden vorkommt, wird immer Energie und Technik benötigt, um ihn zu gewinnen. Das macht ihn teuer, und je nach Herstellungsverfahren werden klimaschädliche Treibhausgase freigesetzt. Lesen Sie kurz und knapp, was Wasserstoff ist, welche Herstellungsverfahren es gibt, und was die Farbeinteilung verschiedener Wasserstoffe verrät.

Wasserstoff, ein viel genutztes chemisches Element

Wasserstoff (H) ist das kleinste, leichteste und am häufigsten vorkommende chemische Element im Universum. Er kommt auf der Erde fast ausschließlich in chemisch gebundener Form vor und ist Bestandteil der meisten organischen Verbindungen.

Das farblose und brennbare Gas wird schon seit Jahrzehnten technisch genutzt, hauptsächlich im Raffineriebereich, in der Metallbearbeitung und weiteren industriellen Prozessen. Er ist für die Herstellung einer Vielzahl wichtiger chemischer Verbindungen unersetzlich, darunter Ammoniak und Methanol. Auch bei der Herstellung von Farben und Kunstfasern als Ausgangsmaterial für die Produktion von Nylon oder Weichmachern in der Kunststoffchemie spielt er eine Rolle.

Wasserstoff kommt allerdings auch für einen klimaschützenden Einsatz in den Bereichen Energiespeicherung, Verkehr und Wärme in Frage. Er kann diese Sektoren über technische Verfahren miteinander koppeln. Wasserstoff kann etwa mit Hilfe von elektrischem Strom gewonnen und bei Bedarf zurück in Strom umgewandelt werden. Er lässt sich dadurch für die Speicherung und den Transport von elektrischer Energie wie z.B. Sonnen- oder Windenergie, nutzen. Bei der Nutzung von Wasserstoff wird kein klimaschädliches CO2 freigesetzt.

Wasserstoff

  • ist ein häufig genutzter Rohstoff in der (chemischen) Industrie
  • gilt als zukunftsfähiger Energieträger und Energiespeicher
  • ist Hoffnungsträger für die Dekarbonisierung
  • verbindet in Zukunft die Energiesektoren Industrie, Wärme und Verkehr
  • wird heute fast ausschließlich aus fossilen Brennstoffen hergestellt
  • kann allerdings auch gut mit erneuerbaren Energien produziert werden

Die Herstellung von Wasserstoff ist – je nach Verfahren – aufwändig und teuer. Außerdem wird bei der zurzeit vorherrschenden Produktionsmethode der Dampfreformierung viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. Lesen Sie hier, welche Verfahren es gibt.

Die Herstellungsverfahren müssen klimaverträglicher werden

Ausgangsstoffe Erdgas, Erdöl, Kohle

Zurzeit werden zur Wasserstoffherstellung zu mehr als 90 Prozent fossile Energieträger (Erdgas, Erdöl, Kohle) als Rohstoff verwendet. Diese Verfahren benötigen hohe Temperaturen und demnach auch große Mengen an Energie:

  • Dampfreformierung und partielle Oxidation bzw. Vergasung: Hier werden leichte Kohlenwasserstoffe, etwa Methan aus Erdgas, unter der Zufuhr von Energie und Wasserdampf in Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid (CO2) aufgespalten. Das CO2 gelangt in die Atmosphäre und trägt somit zum Treibhauseffekt bei.
  • Pyrolyse: Unter Einsatz starker Hitze kann ein methanhaltiger Ausgangsstoff wie z.B. Erdgas in Wasserstoff und Kohlenstoff gespalten werden. Hier entsteht Wasserstoff sowie fester Kohlenstoff, der weiterverarbeitet oder gelagert werden kann.

Es gibt Verfahren, die Kohlenstoff abscheiden bevor er freigesetzt wird und dann direkt nutzen oder speichern. Sie sind auch als Carbon Capture and Storage (CCS), Carbon Capture and Usage (CCU) bzw. Carbon Capture, Usage and Storage (CCUS) bekannt. Speicherorte sind etwa erschöpfte Öl- und Gasfelder. Hier besteht die Gefahr möglicher Leckagen und auch die Höhe der Abscheidungsraten liegen selbst bei den besten Techniken bei ca. 95 Prozent. Eine hundertprozentige Abscheidung und Speicherung kann daher nicht gewährleistet werden.

Dennoch gelten CCS bzw. CCU Verfahren als Hoffnungsträger und spielen eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer grünen Wasserstoffwirtschaft. Denn es ist zurzeit nicht möglich, den gesamten Bedarf an Wasserstoff durch regenerative Verfahren zu erzeugen.

Ausgangsstoffe Wasser und Biomasse

Es gibt bereits Verfahren, mit denen Wasserstoff weitgehend klimaneutral aus regenerativen Energiequellen gewonnen werden kann:

  • Elektrolyse: Unter Einsatz elektrischer Energie wird Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Stammt der Strom aus regenerativen Energieerzeugungsanlagen, lässt sich damit Wasserstoff weitgehend CO2-frei gewinnen.
  • Biologische Verfahren: Es gibt verschiedene biologische Prozesse, bei denen Wasserstoff freigesetzt wird oder als Zwischenprodukt auftritt. Mit Hilfe der Photolyse können Bakterien oder Algen zum Beispiel aus Wasser und Sonnenlicht Wasserstoff herstellen. Ein anderes Verfahren ist die Fermentation. Hier bauen Bakterien biologisches Material ab und erzeugen dabei Wasserstoff. Die biologischen Verfahren befinden sich allerdings noch im Konzept- oder Laborstadium.

Die Elektrolyse, also die Herstellung von Wasserstoff mit Hilfe von Strom, ist zurzeit das am weitesten verbreitete Verfahren, um Wasserstoff klimaneutral zu erzeugen. Solange der verwendete Strom aus erneuerbaren Energien stammt, werden bei der Produktion keine Treibhausgase freigesetzt.

Bei der Elektrolyse gibt es unterschiedliche technische Verfahren. In jüngster Zeit steht die so genannte Polymer-Elektrolyt-Membran-Elektrolyse (PEM-Elektrolyse)besonders im Mittelpunkt. Dieses Verfahren bietet den Vorteil, dass die Anlagen eine gute Teillastfähigkeit aufweisen und in sehr kurzer Zeit hoch- und heruntergefahren werden können. Dadurch können sie hervorragend auf das schwankende Stromangebot der Erneuerbaren Energien angepasst werden. In Zukunft könnte auf diese Weise etwa überschüssiger Strom in Wasserstoff umgewandelt und so anderweitig genutzt werden.

Allerdings sind die Produktionskosten bei der Elektrolyse zurzeit noch rund dreimal so hoch wie bei der Herstellung durch Dampfreformierung. Das liegt zum einen an den hohen Investitionskosten für die Anlage selbst. Hier wird jedoch in den kommenden Jahren mit einem Preisverfall gerechnet. Zum anderen wirken sich die Kosten für den Strombezug (inklusive der anfallenden Entgelte, Abgaben und Umlagen) stark auf die Wirtschaftlichkeit aus.

Aus diesem Grund wird Wasserstoff in Zukunft wahrscheinlich vor allem dort produziert werden, wo erneuerbarer Strom besonders günstig zur Verfügung steht, etwa im sonnenverwöhnten Mittelmeerraum oder an der Küste in Verbindung mit Offshore-Windparks.

Wasserstoff ist farblos und dennoch bunt: Was die Farben verraten

Um die Klimaverträglichkeit der einzelnen Typen von Wasserstoff darstellen zu können, wurde eine eigene Farbenlehre entwickelt. Die verschiedenen Farben des Wasserstoffs leiten sich aus den Ausgangsstoffen sowie Herstellungsverfahren ab. Sie verraten, wie viel Treibhausgase bei der Produktion entstehen:

 

Wasserstoff_Farben

Quelle: MVV Energie AG

 

Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Quellen gewonnen und die Produktion ist teilweise mit erheblichen CO2-Emissionen verbunden. Hierzu zählt unter anderem die Dampfreformierung von Erdgas. Dabei wird Erdgas erhitzt und in Wasserstoff und CO2 umgewandelt. Das CO2 wird in die Atmosphäre abgegeben und verstärkt so den Treibhauseffekt.

Blauer Wasserstoff wird erzeugt, indem die Herstellung aus fossilen Energieträgern an ein CO2-Abscheidungs- und Speicherungsverfahren gekoppelt wird. Er kann bilanziell als CO2-arm betrachtet werden, da das CO2 hier (fast) nicht in die Atmosphäre gelangt. Dieses Verfahren ist auch als CCS, Carbon Capture and Storage, bekannt.

Türkiser Wasserstoff ist gewissermaßen eine Sonderform des blauen Wasserstoffs. Er wird durch die thermische Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt. Dabei entsteht fester Kohlenstoff, kein CO2. Dieser kann deponiert oder anderweitig technisch genutzt werden. Türkiser Wasserstoff ist CO2-neutral, wenn die Wärmeversorgung während des Verfahrens CO2-neutral war und der Kohlenstoff dauerhaft gebunden bleibt.

Grüner Wasserstoff wird insbesondere durch die Aufspaltung von Wasser (Elektrolyse) hergestellt. Da der hier eingesetzte Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen stammen muss, ist die Wasserstoffproduktion bei diesem Verfahren weitgehend CO2-frei. Das Verfahren wird auch als Power-to-Gas bezeichnet. Neben der Elektrolyse fallen auch die biologischen Verfahrensansätze in diese Kategorie.

Daneben gibt es weitere mögliche Wasserstoffquellen, die jedoch in der Praxis aktuell kaum von Bedeutung sind, etwa weißer Wasserstoff (natürliche Vorkommen) oder roter Wasserstoff (durch Kernenergie hergestellt).

Fazit

Da Wasserstoff auf der Erde fast ausschließlich in chemisch gebundener Form vorkommt und für seine Herstellung viel Energie gebraucht wird, ist er immer nur so nachhaltig, wie der Energieträger, der für die Produktion verwendet wird. Es gibt viele Möglichkeiten, Wasserstoff herzustellen. Manche sind mit Risiken und Unsicherheiten behaftet, andere sehr kostenintensiv. Letztendlich gilt grüner Wasserstoff als eine der wichtigsten Lösungen, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern und somit auch die Klimaziele einhalten zu können. Die Nutzungsmöglichkeiten von Wasserstoff sind dabei vielfältig. Einerseits ist er bereits heute in vielen, insbesondere chemischen Prozessen unverzichtbar. Andererseits werden sich zukünftig wahrscheinlich neue Einsatzfelder entwickeln, etwa im Mobilitäts- und Energiesektor.

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David Kreiselmaier

Autor: David Kreiselmaier

David Kreiselmaier studierte Energiewirtschaft mit dem Schwerpunkt Erneuerbare Energien und ist seit 2017 bei der MVV Energie beschäftigt. In seiner Tätigkeit als Innovationsmanager koordiniert er seit 2020 unter anderem die Wasserstoffaktivitäten des Konzerns.

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